Post-Covid aus Sicht der Sportwissenschaft

Die Ausgangslage

Erwartungsgemäß steigt die Anzahl unserer Besucher im Laufladen Erfurt zwischen März und Mai an. Die ersten Sonnenstrahlen versüßen die Dauerläufe im Park und über Wiesen. Die Ausdauer reicht inzwischen für eine Stunde am Stück laufen. Das gilt besonders für die vielen Einsteiger, die über den Jahreswechsel mit dem Laufen begonnen haben. Viele Menschen haben aber auch das Thema Bewegung im allgemeinen in Zeiten von Lockdown, Quarantäne und mangelnden Alternativen für sich entdeckt. Gleichzeitig steigt aber auch bei uns in der Lachsgasse die Anzahl an Besuchern mit einer durchgemachten Corona Erkrankung. Für uns ist dabei zunächst nebensächlich, ob und wie häufig jemand geimpft war oder ist. Erschreckend ist jedoch für uns die teilweise unprofessionelle Behandlung in der Nachversorgung. Daher nehmen wir den heutigen Artikel zum Anlass, die Themen Post-Corona, Long-Covid, Prävention und Eigenverantwortung unter sportwissenschaftlichen Gesichtspunkten zu beleuchten.

Die Ausgangslage im Laufladen Erfurt sah im Frühjahr 2020 so aus, dass alle Mitarbeiter mit einer Garmin Uhr ausgestattet waren. Das geschah vor dem Hintergrund, dass wir anhand gewisser biometrischer Daten einen möglichen Krankheitsverlauf eigenverantwortlich erkennen wollten – noch bevor Schnelltests positiv ausfallen konnten. Die wichtigsten Daten lieferten dabei die Ruheherzfrequenz (HF), Herzfrequenzvariabilität (HRV), Atemfrequenz (AV), objektives & subjektives Stresslevel und der Erschöpfungszustand. Hinzu kamen die klassischen Symptome wie Husten, Schnupfen, Geschmacksverlust und vor allem ein Fieberprotokoll – sobald die ersten oben genannten Werte abnormal wurden.

Die maximale Sauerstoff-Aufnahme-Kapazität

Die allgemein zugängliche Datenlage ist relativ dürftig. Daher beschränken wir uns in den folgenden Zeilen auf die Erfahrungswerte der täglichen Kundengespräche und aus unseren Sportgruppen. An einigen Universitätskliniken, u.a. in Jena, wird in ambulanter Arbeit zum Thema Folgen einer Corona Erkrankung geforscht. Dabei muss zwischen einer Covid-Infektion, Post-Covid und Long-Covid unterschieden werden.

Es darf davon ausgegangen werden, dass eine Covid-Infektion bereits 3-4 Tage vor dem ersten Schnelltest über die Smartwatches erkannt werden kann. Etwa 1-2 Tage vor dem ersten Fieber-/Temperaturschub steigen die Ruheherzfrequenz und das objektive Stresslevel schlagartig an. Gleichzeitig sinken die Werte der Herzfrequenzvariabilität und die Sauerstoffsättigung des Blutes. Kurz darauf steigt mit dem Eintreten des Fiebers auch die Atemfrequenz (auch in der Nacht) und der Leistungszustand nimmt rapide ab. Völlig unterschiedlich fallen später die typischen Symptome aus: Husten, Schleimauswurf, Geschmacksverlust, teilweise extreme Kopf-, Muskel- & Gliederschmerzen sowie Erbrechen und Appetitlosigkeit. Es konnte auch beobachtet werden, dass sich beim Abklingen der Covid-Erkrankung die Entwicklung der oben beschriebenen Daten in umgekehrter Reihenfolge abzeichnet.

Was passiert nach der Covid-Infektion: Post Covid

Abhängig von der selbst gewählten Quarantäne/ Isolation über 7, 10 oder 14 Tage haben viele unserer Gäste das Gefühl, sich wieder bewegen zu wollen. Diese Phase bezeichnet man allgemein inzwischen als Post-Covid-Zeitraum. Auch hier können Geschmacksverlust, Husten, Atemnot bei leichtester Anstrengung, Hals- & Ohrenschmerzen sowie gesteigerte subjektive Erschöpfungszustände vorhanden sein. Umso wichtiger ist es, in dieser Phase sehr behutsam mit dem Körper umzugehen. Schlüsselbegriffe wie Eigenverantwortung, in den Körper hinein hören und vor allem ein Herzfrequenz gesteuertes Training sind nach unserer Auffassung elementar.

Wir haben feststellen können, dass selbst bei langsamen Läufen die Herzfrequenz 10-20 Schläge über dem Vor-Corona-Zeitraum lag. Hinzu kamen deutlich höhere Atemfrequenzen und eine deutlich längere Regenerationszeit. Vor dem Hintergrund, dass das Tempo etwa 1 bis 2:30 Minuten pro Kilometer langsamer war, sind diese Erkenntnisse wichtig. Zumal auch die Streckenlänge mit 30-45min am Anfang schon überfordernd war. Die Gefahr liegt so maßgeblich darin, dass Läufer zu schnell und zu intensiv wieder in das Training einsteigen. Daher sollte die Empfehlung zunächst auf moderater Bewegung im Gehen und Fahrradfahren liegen. Viele Gäste berichten überdies, dass 3-5 Tage Erholung nach einem einfachen Dauerlauf nötig waren, um überhaupt wieder laufen zu können. Parallel berichten viele, dass auch der subjektive Erschöpfungszustand neben dem Sport im Beruf, Familie, Freizeit etc. in der Post-Covid-Zeit stark zugenommen hat. Man geht früher schlafen, hat das Gefühl sich ausruhen zu müssen.

Geschmacksverluste oder Geschmacksirritationen kommen ebenso vor und können sich zum Teil bis zu 6 Monaten hinziehen. Entsprechende Geschmackstrainings könnten hierbei helfen. Vor allem unsere älteren aber deutlich ausdauererfahrenen Sportler berichten von einer lang anhaltenden Atemnot bzw. dem Gefühl, schneller aus der Puste zu kommen. Begleitet wird dieses Phänomen von dem Gefühl eines eingeengten Brustkorbes.  Entsprechende Atemtrainings, wie man sie aus dem Yoga, der Meditation (anapana) oder auch von Apnoe-Tauchern kennt, sind hier sicherlich hilfreich.

Mögliche Langzeitfolgen: Long-Covid

In vielen unserer Gespräche hören wir heraus, dass die wenigsten Läufer nach überstandener Covid-Erkrankung beim Hausarzt vorstellig werden. Gleichzeitig nehmen wir an, dass die wenigsten Ärzte auf die Gefahr einer Herzmuskelentzündung hinweisen. Genau dort liegt aber aus sportwissenschaftlicher Sicht der große Fehler in der Betreuung von uns Ausdauersportlern. 4-6 Wochen nach überstandener Erkrankung ist meist der Zeitraum, wo Läufer wieder laufen gehen wollen. Und zwar so wie vorher. Was aber tun, wenn auch nach 6 Wochen die Ruheherzfrequenz höher ist? Die Atemfrequenz ist immer noch über Normalwert und auch der Husten und die Geschmacksirritationen halten sich hartnäckig.

Um das Thema Long-Covid, also der dauerhaften Folge einer Covid-Infektion zu begegnen, gibt es zahlreiche Optionen. Die wichtigste sollte dabei eine sportmedizinische Grunduntersuchung mit vorgeschaltetem Ultraschall des Herzens sein. Begleitet werden könnte diese Untersuchung von einem Lungenfunktionstest sowie einem großen Blutbild und vor allem einem Antikörpertest. Leider haben wir bisher noch keine Krankenkasse in Thüringen gefunden, die diesen Weg in vollem Umfang mitgeht. Gerade das Blutbild gibt aber dem auswertenden Mediziner, Heilpraktiker oder Sportwissenschaftler die Möglichkeit, zielgenau eine Therapie vorzuschlagen. Die könnte von einer entsprechenden Ernährungsanpassung über Trainingsempfehlung im genau definierten Herzfrequenzbereich bis hin zum akuten Sportverbot reichen. Im Laufladen Erfurt argumentieren wir immer mit der Narbe im System Läufer, die Covid hinterlässt. Diese Narbe gehört dazu und wir wissen derzeit noch zu wenig über die Folgen. Wir können aber aus dem Verhalten bspw. nach schweren Grippefällen oder einer durchgemachten Epstein-Barr-Virus-Erkrankung (Pfeiffersches Drüsenfieber) Handlungsempfehlungen für Post-Covid-Läufer ableiten.

Rückkehr zum Sport – Return To Sport

Inzwischen gibt es vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) und der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP) ein Positionspapier bzw. Leitfaden um nach einer Covid-Erkrankung wieder zum Sport zurück zu kehren. Unter dem Begriff return-to-sport findet sich ein klar definierter Ablauf, den jeder Sportler mit seinem Haus- bzw. Sportarzt besprechen sollte.

Auch wir im Laufladen Erfurt haben uns für die Untersuchung im Hufeland Klinikum Weimar entschieden. Nach einer umfangreichen Anamnese, Laboruntersuchung (Urin, Blut) sowie Lungenfunktionstest, Ruhe-EKG, Belastungs-EKG mit Spirometrie, Sauerstoffsättigung und Echokardiographie (Ultraschall des Herzens) ist die Gewissheit zurück, dass das Training bei voller Sporttauglichkeit wieder aufgenommen werden kann.

Handlungsempfehlungen & Ausblick

Die wichtigste Folge dieses Artikels sollte sein, dass jeder Sportler selbst erkennt, ob sich sein Gesundheitszustand nach einer durchgemachten Infektion verändert hat. Diese Erkenntnis führt auch dazu, dass eben nicht alles wie vorher ist. Es wäre naiv zu glauben, dass ich, abhängig von der Schwere des Verlaufs, direkt wieder in das hochintensive Intervalltraining starten kann. Man sollte die Beschwerden und hier vor allem die subjektiven Erschöpfungszustände seiner Sportfreunde ernst nehmen. Gleichzeitig sollte man vom Kardiologen abklären lassen, ob das eigene Herz immer noch „so groß ist“, wie vor der Covid-Erkrankung. Wir haben uns daher entschlossen, ins Zentrum für Physikalische und Rehabilitative Medizin des Sophien- und Hufeland-Klinikum Weimar zu gehen.

Parallel würden wir uns freuen, wenn mehr Laufveranstalter auf das Vorliegen eines sportmedizinischen Attests bestehen – zumindest bei den Läufen jenseits der 20 Kilometer. Wenn jetzt auch noch der eine oder andere Leser einen Ansprechpartner der thüringer Kardiologen parat hat, nehmen wir diese natürlich gerne mit in unsere Liste auf.

Abschließend bleibt aber festzuhalten, dass die moderate Bewegung immer zu einer Verbesserung des Herz-Kreislauf-Systems führt. Das kann radelnd, schwimmend, laufend oder aber auch gehend erfolgen. Frische Luft, eine gesunde Ernährung und eine deutlich reizreduzierte Lebensweise (Handy, Medien, negative Gedanken) vervollständigen diese ganzheitliche Therapie, um auch im hohen Alter noch aktiv sein zu können. Für alle weiteren Fragen steht das Team des Laufladen Erfurt zur Verfügung.

Weil wir das Laufen lieben.