Faszination IRONMAN & Triathlon

„Es gibt auf der Welt nur einen einzigen Weg, den niemand gehen kann, außer Dir. Wohin er führt, frage nicht. Gehe ihn!“ So soll es einst Friedrich Nietzsche formuliert haben. Aber es trifft im Grunde genommen genau den Weg, der nach Hamburg gegangen wurde. Um die nachfolgenden Zeilen zu verstehen, muss ich etwas ausholen. Als mich mein Freund Harald von sieben Jahren fragte, ob ich für den größten Triathlon der Welt, den Challenge Roth arbeiten möchte, brauchte ich nicht viel Überlegungszeit. Seit damals ist viel passiert. Auf der Strecke am Main-Donau-Kanal und auch abseits davon. Als jugendlicher Stift war ich fasziniert von den „alten“ Triathleten des TSV und später LTV Erfurt, die immer mit ihren Ironman Badekappen und Rucksäcken zu den Trainings kamen. Einer erzählte dann von seiner Teilnahme und schon war das Fieber da. Dann wurde auch noch der Sohn des Sportlehrers Weltmeister in seiner Altersklasse auf Hawaii. Naja, und dann kamen 12 Jahre Militärzeit und keine Triathlons bis schließlich Harald am Telefonhörer war. Als rasender Reporter geht es seit jeher immer mit den Profis auf die 3,8km lange Schwimmstrecke. Mit dem Motorrad dann die 180km Radfahren begleiten bevor es noch auf den 42,195km langen Marathon geht. Das nennt man Langdistanztriathlon und es war für mich immer völlig unvorstellbar, wie die Profis währenddessen noch Interviews geben können. Vor knapp zwei Jahren manifestierte sich dann schließlich der Entschluss, sich selbst auf die Reise zu begeben. Den chinesischen Investor, der 2015 die Marke Ironman für 650 Mio. Dollar gekauft hatte, wollte ich aus dem Bauch heraus nicht unterstützen. Da ich bei der Challenge Roth auch nicht an den Start gehen konnte, entschieden wir uns für Regensburg. Regionales Rennen, schöne Altstadt, spät im Jahr und ein Jahr Vorbereitung später kam Post vom Insolvenzverwalter. Das nächste Rennen wäre der Ironman Hamburg 2018 gewesen, der aufgrund der Blaualgen-Blüte als Duathlon ausgetragen wurde. All das waren keine guten Zeichen des Universums für einen erfolgreichen Ironman. Das Thema war eigentlich schon abgehakt, wäre da nicht die Kopie der Anmeldebestätigung eines Freundes aus dem Hindernislauf Team gekommen. Mist, hat er es doch getan. Aus der Nummer sollte ich also nicht mehr rauskommen. Bis es soweit war, konnte ich aber noch viel Studienarbeit bei den Profis leisten. Hochgezüchtet ist dieser Sport schon recht deutlich. Mein Rennrad ist ein altes Cannondale R2000 Si, welches ich mir vom Fachhochschulreifegeld gekauft habe. Einen Neoprenanzug besaß ich bis dato auch nur zum Surfen im Eisbach und ein Trainingslager in Südafrika hatte ich auch nicht auf dem Plan. Die Lust war aber da, sich einmal wieder einem neuen sportlichen Ziel hinzugeben.

Grundlage und frühes Aufstehen

Viele Gäste im Laufladen Erfurt glauben, dass wir manche Sachen nur daher sagen um zu überzeugen. Eine alte Trainerweisheit besagt, dass die Sommermedaillen im Winter gemacht werden. Aber im Grunde genommen ging es bei dieser Reise um Erfahrungen. Was passiert mit dem Körper? Was passiert mit dem Geist? Was passiert mit dem Umfeld. Wenn ich im Dezember das siebte mal an der Startlinie des Getting Tough The Race stehe, weiß ich, dass ich ins Ziel komme. Ich weiß, dass der Körper in der Lage ist, andere zu motivieren und bei Bedarf auch noch den einen oder anderen auf der Schulter ins Ziel zu bringen. Als ich vor drei Jahren als Alternative zum Laufen wieder mit dem Schwimmen begann, musste ich nach 400m eine Pause machen weil die Finger gekrampft haben. Eine Radrunde mit drei Stellen vor dem Komma war genauso utopisch, wie eine 12-stündige Dauerbelastung nahe der individuellen anaeroben Schwelle. Ich habe Freunde, die laufen Läufe – viele Läufe, nur Läufe. Ich habe Freunde, die fahren Rad und sammeln sehr viele Kilometer. Was mir fehlt sind Menschen, die regelmäßig schwimmen. Was mit unserer Gesellschaft in 20 Jahren passiert, wenn ich mich jetzt in den Freibädern umsehe, kann sich jeder selbst ausmalen. Also wechselte ich die Trainingspartner – je nach Disziplin. Die Arbeitszeiten im Laden lässt es nicht zu, dass ich mit dem regionalen Triathlonverein in die Halle gehe. Also stellten wir uns früh Morgens um halb sechs mit vielen Seniorensportlern brav in die Schlange der Schwimmhalle und das Woche für Woche, Jahreszeit für Jahreszeit. Triathleten sind faszinierende Menschen und das nicht immer im positiven Sinne. Es gibt da die Gruppe, die das Training als Reise zum selbst – zum Atman versteht. Die Balance finden zwischen körperlicher & mentaler Anstrengung und gleichzeitigem Aufgehen im Tun. Und dann gibt es die Leistungssportler, die denken, dass es abseits der Profis tatsächlich um Zeiten geht. Möge man mich nicht falsch verstehen. Ich ziehe meinen Hut vor der täglichen Arbeit aber es machte einen gewaltigen Unterschied, ob ich gemütlich mit dem Rennrad 25km die Stunde fahre und zwischendurch einen Espresso trinken kann oder aber mit einem 32er Schnitt ständig in Alarmbereitschaft sein muss, ob nicht doch aus irgendeiner Seitenstraße ein Auto kommt. Daher war die Abwechslung im Herbst und Winter mit Crossläufen, Krafttraining und viel Grundlagentraining sehr angenehm. Als Zwischenziel sollte der König-Ludwig-Lauf dienen. 50km in der freien Skatingtechnik und tags drauf noch einmal 50km in der klassischen Technik. Engadiner Skimarathon, Halbmarathon Berlin und ein paar kleinere Triathlons zum Training der Wechselzonen.

Zeichen des Körpers

Irgendwann beginnt der Körper diesem Rhythmus aus Training, Arbeit, Familie, Training & Erholung anzunehmen. Man merkt, dass sich die Grenzen der eigenen körperlichen Wahrnehmung verschieben. Spätestens bei den ersten langen Trainings im Schwimmbad merkt man, dass man sich beim Kacheln zählen schlichtweg verzählt – weil es so viele Bahnen sind. Statt der inzwischen obligatorischen 100km werden es plötzlich 160 und mehr Kilometer auf dem Rad. Der Besuch in der Brauerei Drei Kronen wird wie völlig selbstverständlich mit dem Rennrad angegangen. Und was im März noch unter großem Gelächter der mitfahrenden Freunde bei Kilometer 90 abgebrochen werden musste, ist inzwischen nur noch ein Zwischenstopp. Das Skifahren im verschneiten Thüringer Wald war zwar oftmals einsam aber irgendwie erholsam. An einem Montag Früh ging es vom Rondell über den Schneekopf zur Schmücke. Gespurt war wieder einmal nichts aber dafür gab es eine intensive Berührung zwischen Wasserloch und dem eigenen Körper. Klitschnass ging es die 12km zurück im Skatingschritt. Gut, dass die Hindernisläufe abhärten… Die Zwischenziele werden erreicht und der Plan scheint aufzugehen. Beim Berliner Halbmarathon merke ich das erste mal, dass mir die Massenveranstaltungen keinen Spaß mehr machen. In der Gruppe laufen zu gehen oder sich im Sattel vom Rennsteig über das Ilmtal bewegen verspricht mir wesentlich mehr Freiheit. Freiheit für meinen Körper und meinen Geist. Die Freiheit, sich selbst wieder kennen zulernen, sich zu spüren, zu merken, wo die Grenzen sind – das ist es doch, was den Sport ausmacht. Nach den gesteigerten Laufumfängen meldet sich erst das Zehengelenk und dann der Rücken. Ich merke, dass der Geist fest wird. Fest im Sinne von verbissen. Auf dem Plan steht Training obwohl der Körper signalisiert, bis hierhin und nicht weiter. Es passiert also genau das, was ich unseren Laufgästen im Laufladen Erfurt immer wieder mitgeben möchte. Hört auf Euren Körper und erkennt die Zeichen und Signale. Gut ist es da, wenn außer dem Laufen auch noch andere Sportarten im eigenen Blumenstrauß des Sportlers sind.

Ausgleich zum stressigen Alltag oder Gewitter

Inzwischen brennt die Sonne über dem Erfurter Nordbad schon recht früh im Jahr. Bahn für Bahn geht es alle zwei Tage und die schöne bunte Bäderkarte der Stadtwerke Erfurt freut sich über jedes abgebuchte Guthaben. Gut dass wir in Erfurt so viele Schwimmbäder haben, sonst könnten die Masse an Kindern gar nicht zum Schwimmunterricht. Leider muss sich das in den vergangenen 20 Jahren massiv geändert haben. In meiner Erinnerung trainiert uns Beate Dege noch als Kinder während um uns herum das Bad gerammelt voll ist. Heute muss es irgendwo anders eine bessere Beschäftigung geben. Denn außer uns Freunden sind nur noch ein paar Senioren auf den Bahnen. Inzwischen schränkt sich das zwischenmenschliche Umfeld auch immer mehr ein. Die langen Radfahrten jenseits der sechs Stunden können und wollen die wenigsten mitmachen. Vor der Arbeit Laufen mag noch gehen, aber dann bitte nicht im flinken Schritt. Michael Apter überzeugt mich schon im Studium mit seiner Absorptions Hypothese, wonach der Sport Erholung und Ausgleich zum sonst stressigen Alltag sein soll. Die letzten zwei bis drei Monate vor dem Ironman Hamburg trifft das definitiv nicht zu! Was als kleine Träumerei begann, manifestiert sich immer mehr als Wunsch, als Wille und am Ende als festes Vorhaben im Kopf. 3,8km Schwimmen und das am Stück und im Freiwasser funktionieren inzwischen ohne Probleme. Im Trainingslager auf Mallorca fällt seit 20 Jahren auch das erste mal wieder die 200km Marke mit dem Fahrrad. Und auch die Koppeltrainings aus Radfahren und anschließendem Laufen gehen erstaunlich gut. Generell ist es bemerkenswert, wie sich der Körper verändern kann, wenn der Wille da ist. Die Laufschuhe New Balance More sind inzwischen auch eingelaufen und der Triathlonanzug von Fusion ist bedruckt mit der Laufladen Werbung. Man möchte ja auch das im Wettkampf testen, was im Laden verfügbar ist. CEP Socken und eine Mütze von Thonimara gehören dazu. Und dann kommen die letzten wichtigen Einheiten. Man nennt sie Schlüsseleinheiten, weil sie den Körper erst vorbereiten sollen auf die große Belastung Ironman. Fünf Stunden Rad im Grundlagentempo gefolgt von 1,5 Stunden im Grenzbereich. Daran schließt sich ein 10km Tempodauerlauf an. Kurz davor überrascht uns das Gewitter an den Drei Gleichen und wir sitzen erst einmal wie die Lemminge im Feld und hoffen, dass zwischen Blitz und Donner auch weiter drei bis fünf Sekunden bleiben.

Sehnsucht nach dem Kampf

Da meine Freunde offensichtlich nicht wollen, dass ich mit meinem gelben Blitz in Hamburg an den Start gehe, bekomme ich 6 Wochen vor dem Wettkampf ein Triathlon Leihrad. Außerdem gibt´s aus der Brauerei Heimathafen noch eine passende Scheibe, ein winddichtes Hinterrad, dazu. Bei der ersten Fahrt nach der Ladenschließung nach Hause komme ich kaum ins Bett, weil die Unterarme und er Rücken die ungewohnte Aero-Bewegung nicht schön finden. Das kann ja etwas werden. Der Mechaniker meines Vertrauens gibt mir den Ratschlag, mich etwa 6 Monate lang in Geduld zu üben. 6 Wochen müssen auch reichen und sie tun es. Ende Juli geht es nach Hamburg. 34°C sind vorhergesagt und die Konzentration der Blaualgen ist so hoch, dass ein Ausfall der ersten Disziplin im Raum steht. Abholung der Startunterlagen, Wettkampfbesprechung und ab ins Bett. Am Tag vor dem großen Höhepunkt wird das Rennrad und die Wechselbeutel bereits im Wechselgarten abgegeben. Das alles läuft höchst professionell. Die Radstrecke wird noch einmal abgefahren und plötzlich wirkt alles realistisch. Der Körper möchte endlich, dass es los geht. Eine Zeit zwischen 11 und 12 Stunden soll es sein, denn der Wind und die Wärme sind nicht meine Freunde. Einschwimmen in der Alster und den leckeren Geschmack der pelzigen Algen-Alster im Mund. Es gibt einen rollenden Start und dennoch wird zwischendurch gerangelt und mit Ellenbogen gearbeitet, wie ich es bisher noch nicht erlebt habe. Nach 3,9km und einigen Litern Alsterwasser geht es auf das Rad. Ein paar Algen verirren sich dann doch… Auf zwei Runden geht es über gefühlte 50 Bahnübergänge durch den Hamburger Hafen und schließlich an den Elbe-Deich. 15km bis zur Wendemarke und zurück. Wind von vorn, von der Seite und manchmal auch von hinten. Nach 60km möchte der Geist kurz eine Unterredung zum Thema Motivation führen. Zeit habe ich dafür jetzt keine, denn der Puls soll unter 85% der maximalen Herzfrequenz bleiben. Die Zwischenzeiten passen wie ein Fahrplan der Schweizer Bahn und die mitgereisten Unterstützer trommeln, brüllen und klatschen was das Zeug hält. Und dann kommt das Laufen, die Hitze und die Algenreaktion. Der Vorteil nach vielen Marathons ist, dass man relativ schnell einschätzen kann, was der Körper möchte. Und an diesem Sonntag möchte er beim Laufen Eiswürfel, Schwämme und Wasser – sehr viel Wasser. Irgendwann überholt mich mein junger Freund Stefan und ich freue mich, dass er bei der Hitze so ein gutes Rennen macht. Am Ende ist das Ziel in Sicht und die vielen Helfer und Zuschauer brüllen, als gäbe es kein Morgen mehr. Im Ziel fallen nicht nur die Schleusen zu den Tränensäcken sondern auch der eine oder andere Sportler im Arm der Helfer zusammen. Das Faszinierende aber ist, dass die Zeit zum Schluss völlig egal ist, denn den Kampf gegen den Willen haben alle gewonnen, die ins Ziel kommen. Das der Kampf dabei nicht unbedingt am Wettkampftag stattfindet, wird manchem Sportler erst spät oder nie bewusst. Die Reaktionen aus unserem Umfeld zeigen aber, dass es eine große Sehnsucht nach diesem Kampf oder zumindest nach dem „sich-stellen“ gibt. Schaffen kann es jeder, davon bin ich zutiefst überzeugt. Es dauert sicherlich etwas Zeit, abhängig vom Niveau. Aber es nicht zu versuchen, ist keine Option. Und jeder Mensch, jeder Sportler – sei es Hobby oder Leistungssportler – hat seinen einzigen Weg, den niemand außer ihm gehen kann. Wohin er führt ist nebensächlich – nur gehen muss er ihn! Und jetzt freue ich mich, die nächste Erfahrung an unsere Gäste hier im Laufladen Erfurt weitergeben  zu dürfen.

I AM AN IRONMAN