Spartan Race Singapore

Anfang Mai lockte das OCR Spartan Race im fernen Singapore. Grund genug für unseren dschungelerprobten Sportdirektor Boris, seinem Getting Tough Trainerkollegen Peppi einen Besuch abzustatten. Weshalb lange Sachen bei einem Hindernisrennen im Dschungel von Vorteil sind und weshalb man mit Hockstrecksprung und Maximalpuls am Tisch sitzt – erfährt man in seinem Bericht. Tropische Hindernisläufe mit Nachtstart. Hochdruckkärcher statt Duschen. Bizepsbomber mit filmreifen Körpern und eine Medaille, die jetzt im Laufladen hängt. Aber lest selbst!

Spartan Race Singapore

Ende April rief unser Getting Tough Trainer Peppi aus Südostasien an. Er hätte zufällig Anfang Mai ein Hindernisrennen in Singapore. Es würde zwar etwas heiß sein. Auch die Luftfeuchtigkeit ist ein wenig höher als in Mitteleuropa. Aber ansonsten bräuchten wir uns keine Sorgen machen. Singapore ist im allgemeinen sehr flach und was sollen da auch Hindernisse sein? Also schickten wir unseren dschungelerprobten Sportdirektor Boris mit dem Flieger nach Asien. Nach einer Woche mehr oder weniger akklimatisierten Training unter Thailands Sonne brannten schon die Schuhsohlen. 50°C warmer Asphalt ist dann doch eine andere Hausnummer für die bunten Laufschuhe nordamerikanischer Sportartikelhersteller. Einen Tag vor dem Spartan Race ging es direkt von Bangkok ins Zentrum von Singapore. Startzeit sollte mit dem Elite Startfeld am nächsten Morgen gleich um 6.00 Uhr sein. Bei 35°C und gefühlten 90% Luftfeuchtigkeit half auch der abendliche Poolbesuch nicht wirklich viel. Nach drei Stunden Schlaf läutete bereits um 4.00 Uhr der Wecker. Da der öffentliche Nahverkehr auch noch schlief, nahmen wir das Angebot der US-Sponsors UBER  an. Dieser mehr oder weniger legal agierende Taxiersatzdienst brachte alle Teilnehmer kostenfrei zum Start, sofern man sein Taxi per Handy-App bestellt.

NachtstartAm Startgelände angekommen fiel sofort auf, dass es noch rabenschwarze Nacht war. Das Start-Ziel-Gelände von der Größe einer Panzerwiese war spärlich erhellt. Da half auch die LED Lenser Stirnlampe nicht viel. Die Überlegung, die Lampe zum Lauf mitzunehmen wurde mangels bekannter Celsiusgrade auch schnell verworfen. Empfang der Startunterlagen. Signierung der obligatorischenTodesfall-Verzichts-Erklärung und ab ging es zum Warmlaufen. Man ist sich, so nah am Äquator unsicher, ob während des Einlaufens wirklich die Körperkerntemperatur oder einfach nur der Puls steigt. Das Thermometer an der Garmin Fenix 3 zeigte bereits 37°C und Wolken waren nicht in Sicht. Beim Lauf-ABC zeigte der Puls plötzlich schon 160 Schläge an. Getrunken hatte ich eigentlich genug. Die Wärme kannte ich auch. Aber vermutlich war der Körper geistig noch im klimatisierten Hotelzimmer. Nach Erwärmung ging es ins Startfeld. Hühnen von Männern die allesamt in Folgeproduktionen Spartacus 300 hätten mitspielen können. Die überwiegende Zahl trug lange Hosen, was ein wenig für Verwunderung sorgte. Von den Asiaten wusste man ja bereits aus Vietnam, dass deren Athleten extrem zäh sein konnten. Nach der üblichen Einstimmung mit unzähligen brunftähnlichen Ausrufen „Arooo“ gab schließlich der Innenminister den Startschuss. Vorher wies man uns noch darauf hin, dass die Strecke nicht ausgeleuchtet ist. Die vier Läufer im Feld mit Stirnlampe fühlten sich just in diesem Moment wahrscheinlich wie die Könige. Kurz nach 6.00 Uhr rollte die erste Welle.

Puls 180 am ersten Hindernis. Kleine Eskaladierwände gefolgt von Kriecheinlagen. Irgendwie wollte der Körper langsamer. Plötzlich führte die Strecke weg von der Panzerweise und hinein in die Dschungel ähnlichen Trails von Singapore. Die Sicht liegt bei 2-5 Metern, abhängig vom Tempo. Die nächsten Wände warten und ich merke, dass alle anderen Probleme mit Hindernissen bei Nacht ohne Lampe haben. Das Feld von vorn anführend schickt mich der nächste ewig lachende Helfer samt 30 Kg Kugel in die falsche Richtung. Nach Bemerken des Fauxpas geht es gemeinsam im großen Feld weiter durch den dunklen Wald. Gedächtnisaufgaben, Ketten ziehen, weitere Eskaladierwände und weitere bergauf-bergab Passagen lassen den Puls in den dunkelroten Bereich wandern. Plötzlich sind fingerdicke Drähte über dem Trail gespannt. Blöd ist nur für den Führenden, dass man diese grauen Drähte in der nun einsetzenden Dämmerung nicht sieht. Da greift das Newtonsche Gesetz der actio = reactio sehr anschaulich. Inzwischen verfluche ich nach erst vier Kilometern Peppi Aussage, dass Singapore ja nur flach ist. Nach dem letzten Anstieg samt Sandsack geht es vorerst zurück auf die große Panzerwiese des Zielgeländes. Speer werfen, Monkey Bars, Traktor-Reifen wenden und Betonklötze ziehen steht auf dem Program. Es ist immer wieder erstaunlich, in welch einfache Bewegungsmuster Männer unter körperlicher Beanspruchung fallen können. Wahrscheinlich ist es auch eine Frage der allgemeinen OCR-Philosophie? Löse ich eine motorische Aufgabe am Hindernis möglichst ökonomisch oder mittels trainierter Kraft. Klar ist, dass man beim Versagen am Hindernis sofort unter Aufsicht 30 Hocksrrecksprünge machen muss. Klar ist auch, dass der Puls diese 30 Wiederholungen körperlicher Züchtigung eigentlich nicht tolerieren dürfte. Dann also doch wie beim Biathlon, langsam an das Hindernis heran laufen. Überlegen und ökonomisch lösen. Ich nehme mir das Seil am Beton-Flaschenzug und renne einfach in die entgegengesetzte Richtung. Die starken Jungs neben mir ziehen während dessen mit ihrem Bizeps-Bomber eine Armlänge nach der anderen den Klotz nach oben. Athletisch sehen sie ja aus – das muss man ihnen lassen. Weitere Hindernis folgen. Der Speer trifft sein Ziel. Aber das hat man ja in der Kindheit und beim DLV lang genug geübt. Vorbei geht es an weiteren Hangelgerüsten, am Militärflughafen und wieder quer durch den Dschungel. Inzwischen fällt auch auf, weshalb man lange Hosen am Äquator tragen sollte. Da das Blut ebenfalls Körperkerntemperatur hat, fällt am Anfang gar nicht auf. Dass es in Strömen am Arm und Schienbein läuft, dann jedoch schon. Die Gräser bei den Kriechhindernissen und im Dschungel sind scharf wie Papier. Nach dem Lauf sollte noch öfter die Frage nach meinen suizidalen Vorlieben gestellt werden.

StacheldrahtSeilsteg, der in Singapor „Tiroler Alps“ heißt und mächtig große Wände ziehen dann doch ganz schön den Strom aus dem europäischen Körper. Das Feld lichtet sich auch zunehmend. Im Gegensatz zum Getting Tough oder anderen Rennen ist hier offensichtlich jeder auf sich gestellt. Die letzten Herausforderungen lassen das OCR Herz dann noch mal sprichwörtlich höher schlagen. Nochmals geht es auf den Seilsteg. Während sich die „Bizepsbomber“ im Bärenhang in Richtung oben hängender Glocke quälen, zeigt eine gewisse Art der Vorausbildung im Kommandokraul erstmals Vorteile. Die Boulderwand ist trotz „normaler“ Laufschuhe auch ohne Probleme zu schaffen. Und das Tauchbad durch den Container lädt eigentlich zum längeren Verweilen ein. Aber es warten ja noch die letzten Monkeybars, Kieseimer und das freie Seilklettern. Im Vorfeld hätte ich nie gedacht, dass man so schwitzen kann. Aber weder das Hangeln noch der kräftige Seilzug gehen. So setze ich mich am Ende doch noch einmal an den Tisch mit Hockstrecksprüngen (Burpees) und Maximalpuls. Im Ziel wartet schließlich die Begleitcrew und eine wirklich große Medaille. Am Ende fühlt man sich geschlaucht aber zufrieden. Sicherlich wäre ein besseres Resultat möglich gewesen. In Anbetracht des dejavus an anstrengende Lehrgänge im Urwald Französisch Guyanas hat es aber wirklich Spaß gemacht. Das die bei uns so üblichen Duschen dann in Form eines Hochdruckreinigers wiederzufinden sind ist auch nicht schlimm. Die Uhr zeigt inzwischen kurz nach halb acht und die Sonne steht gefühlt im Zenit. Was ist das Fazit? Gute Freunde besucht man fast überall! Das Leben ist zu kurz für langweilige Läufe! Und nur wer lebt, weiß, dass er lebt!

Arooo!