• Getting Tough The Race

    24 KM. 1000 HM. 150 Hindernisse.

Getting Tough – Die groben Fakten

Erfahrungsberichte über das Getting Tough The Race gibt es viele. Manche sind nüchtern beschrieben. Dort geht es um Fakten wie Streckenlänge, Höhenmeter, Wassertemperatur und die Anzahl der Hindernisse. Manche Läufer nehmen den gesamten Lauf mittels Kamera auf, unterlegen das ganze mit emotional aufgeladener Musik und stellen es auf einschlägige Plattformen. Nun wissen wir im Laufladen Erfurt selbst, dass für viele Außenstehende dieser Wettkampf im Dezember ganz weit weg ist. Nicht von der räumlichen Distanz her betrachtet, sondern tatsächlich von der emotionalen Herangehensweise. Daher wollen wir heuer einmal nicht die nackten Fakten sprechen lassen. Ein paar Details sollen es aber zum Verständnis am Anfang schon sein. Knapp eine Stunde mit dem Auto von Erfurt entfernt, findet nun schon seit 2012 das Getting Tough The Race in Rudolstadt statt. Seit drei Jahren gibt es zusätzlich am Vorabend im Schein des Flutlichts den Nachtsprint. Dort werden die letzten etwa 800-1000m des Zielparcours absolviert. Der eigentliche Höhepunkt ist und bleibt für viele Sportler aber The Race. 24 Kilometer mit etwa 1.000 Höhenmetern und 150 Hindernissen sind zu absolvieren. Dass das Wetter im Dezember und vor allem die Wassertemperatur der Saale und im Freibad eine entscheidende Rolle spielt hat sich mittlerweile in der Szene rumgesprochen. Dennoch, und das ist das schöne in Rudolstadt, finden sich immer noch viele Teilnehmer, die diese Herausforderung aus der kalten probieren möchten. Ähnlich dem Vorhaben, den Rennsteig Marathon ohne Vorbereitung laufen zu wollen, trifft man auch an der Startlinie in Südthüringen viele motivierte Menschen. Einige scheitern. Viele verschieben ihre Grenzen. Aber dazu später mehr. Was vor sechs Jahren mit knapp 700 Teilnehmern begann, findet jetzt knapp 3.000 Meldungen. Das gefühlt nur etwa 2.500 davon an der Massenstartlinie stehen sei verziehen.

Das Laufladen Erfurt OCR Team

Die Abkürzung OCR hat sich inzwischen etabliert und steht allgemein für Hindernislauf. Nicht im leichtathletischen Sinne auf der Bahn über 3.000m sondern in freier Wildbahn jenseits der fünf Kilometer und gerne mit Wasser, Schlamm, Hangeln oder Trageeinlagen. Unsere ersten Berührungspunkte gab es zu Armeezeiten mit den militärischen Fünfkämpfern auf der CISM Bahn der Sportfördergruppe oder den geliebten Piste Rouge der Fremdenlegion in Guyana oder den Pyrenäen. Ausdauer, Konzentration, Cleverness, Kraft und Willenskraft waren damals als Einzelkämpfer gefordert. Kameraschaft, Verzicht auf das eigene Ego und Fürsorge waren die Schlüssel zum Erfolg, wenn es im Gruppenrahmen über die Hindernisbahnen ging. Und dann kam irgendwann Rudolstadt und durch unseren Peppi die Idee, eine Mannschaft für The Race aufzustellen. Herausgekommen ist im Dezember 2018 eine 40 Mann starke Truppe an der Startlinie. Hinzukommen noch einmal 15 besondere Menschen, die sich an der Strecke aufopferungsvoll um die Verpflegung kümmern, als Mannschaftsarzt helfen oder Pappschilder mit Motivationssprüchen halten. Dieses Jahr wurde jeden Monat trainiert – im Wasser, am Berg, Technik im Hindernisparcours und auch das soziale Miteinander. Was das Team aber heuer so besonders macht, ist der Zusammenhalt. Unterschiedliche soziale Schichten, Alter, Herkunft und sportliche Vergangenheit. Während die einen bis November noch nie weiter als 10 KM gelaufen sind, spekulieren andere auf die TOP-100 Platzierung mit der begehrten schwarzen Medaille. Gemeinsam ist aber allen, dass sie für einander da zu sein haben – und das haben sie am zweiten Dezemberwochenende zu 100% unter Beweis gestellt.

Aufwärmen am Vorabend – Nachtsprint

Nieselregen, Temperaturen im positiven Bereich und ziemlich böiger Wind. Dazu das Flackern der Flutlichtmasten. Startnummernausgabe, Einlaufen und Freuen auf das, was da kommt. Auf den ersten Blick sind nicht viele neue Hindernisse im walk of fame zu erkennen. Dabei handelt es sich um die finalen 1,5 KM des großen Rennens am nächsten Tag. Zur Begrüßung gibt’s beim diesjährigen Nachtsprint erst einmal einen Sandsack. Der Countdown wird laut mitgezählt. Startschuss. Vollgas. Sandsack nach 200 Metern abwerfen und sich fragen, weshalb der Mensch mit Trillerpfeife und nacktem Oberkörper neben mir und in meiner Spur rennt? Erste Richtungsänderung. Es wird dunkel, denn das Licht scheint nicht mehr gar so weit in die Randbezirke des Parcours. Die erste Betonröhre zum Kriechen wartet. Kieselsteine bohren sich latent in die untere Extremität. Glück hat der, der die Knie hoch nehmen kann. Arschdunkel ist es am Ende der Röhre und mit Vollgas geht es zu den ersten Reifen. Die erkennt man leider erst etwa zwei Meter bevor sich das grobstellige Profil der Traktorreifen mit dem eigenen Ich verbinden möchte. Erster Reifen, zweiter Reifen, dritter Reifen, vierter Reifen. Scheinbar haben sie doch etwas verändert am Parcours. Die erste Eskaladierwand kommt. Folgen soll die zweite, dritte, vierte, fünfte, sechste… Sie haben definitiv etwas verändert am 2018er Parcours. Der Anlauf reicht nicht aus also muss die Charles-Franzke-Gedächntis-Technik herhalten. Aber es funktioniert. Es warten die riesigen Kabeltrommeln aus Eisen, Hangeln, Holzpyramide und die Halfpipe. Letzteres ist tatsächlich ein Hindernis, welches wir im Training nicht simulieren konnten. Kopf ausschalten, Anlauf nehmen und Attacke. Es klappt aber die Fenix am Handgelenk sagt, dunkelroter Pulsbereich. Gut, dann warte ich auf den nächsten Läufer mit dem Laufladen Erfurt OCR Leibchen. Gemeinsam am Start und gemeinsam über die Hindernisse. Weiter geht es über Eskaladierwände, riesige Holzpyramiden und wieder einmal hangeln. Bloß keine Strafen abgreifen, weil man die Füße absetzen muss oder von der Wippe fällt. Es geht auf das Baugerüst und spätesten jetzt werden die Schlussläufer aus den voraus gestarteten Wellen eingeholt. Erste Etage, zweite Etage, dritte Etage. Knapp 15 m trennen den Läufer jetzt von der Normalnullhöhe der Zuschauer. Die Kletterstange ist etwa 1 m entfernt von der Plattform. Springen, dranklammern und runter rutschen. Weiter geht es über Container, Betonwände und das neu aufgestellte Wasserbecken. Zu viele Zuschauer schauen und es bleibt keine Zeit zum zögern – rein ins kalte Nass. Nun noch einmal den Po runter nehmen und gefühlte 100 m in der tiefsten Gangart kriechen. Zwischendurch eine kurze Pause, verbunden mit der Hoffnung, dass der Kalli nicht vorne in die Röhre schaut und irgend einen dummen Falli-Spruch bringt. Uns sieht aber keiner und plötzlich ist es da, das Ziel. Schnell kommt auch der Rest aus dem Team. Die Generalprobe sah doch schon einmal ganz gut aus. Nur die Beine und Arme sind schon ziemlich blau aber zum Glück gibt es ja lange Hosen für den Samstag Früh. Und außerdem sieht man das ja auf dem Zielfoto mit der Mannschaft nicht…

The Race – Samstag im Team

Es ist Samstag Morgen. Das Festzelt füllt sich langsam. 3.000 Meldungen sind eingegangen. 40 davon starten für das Laufladen Erfurt OCR Team. Das mag nicht viel erscheinen, reicht aber um jeden mit seinen Stärken und Schwächen zu kennen. Die letzten Startnummern werden ausgegeben. Die Verpflegung wird verteilt und die Wechselsachen verstaut. Die Binome, die Partner für das Rennen, sind zugeteilt. Heuer haben wir Veteranen, die bereits das sechste Mal am Start sind genauso wie absolute Neulinge, die aber schon fünf Jahre an der Strecke zugeschaut haben. Wir haben Mädels, die eigentlich nur den Sprint machen wollten aber das Jahr über sich hinaus gewachsen sind und noch gar nicht wissen, dass sie im Ziel ihren Emotionen freien Lauf lassen. Wir haben Jungs, die jeden Tag fünf Tonnen mit der bloßen Hand bewegen und nie und nimmer eine Läuferstatur bekommen. Aber sie haben diesen unbändigen Willen, es ins Ziel zu schaffen. Wir haben Mädels, für die der Spaß an der Sache und das Glück im Tun viel wichtiger ist, als irgendeine Platzierung. Wir haben aber auch Helfer, die eigentlich eine Startnummer tragen wollen. Egal, ob eine Woche vor The Race erkältet oder das Jahr aufgrund beruflicher und privater Veränderung nicht genug trainiert. Sie alle stehen an diesem Samstag bei ihrer Mannschaft und jeder weiß, dass jeder genau diese eine spezielle Aufgabe hat. An der Universität sind wir mal die hypothetische Annahme eines sogenannten High Potential Teams durchgegangen. Zehn Charaktere gilt es in einer Mannschaft abzubilden und erstmalig haben wir 2018 das Gefühl, genau diese Eigenschaften zu haben. Da sind die Maschinen, die mit dem Startschuss den Kopf ausschalten und sprichwörtlich keine andere Aufgabe haben, als zu ballern. Der 24-Jährige Neuling gegen den 40-Jährigen alten Hasen. Wir haben die Motivatoren, die immer einen Spruch auf den Lippen haben. Wir haben die positiv Denkenden, die Zweifler, die Kreativen, die Visionäre, die Weisen, die Vorbilder und die aufopferungsvollen Helfer. Alle haben ihre Funktion an diesem Tag und es sollte perfekt werden.

24 Km – Spannung, Zweifel, Wasser

Die Startnummer sitzt. Das RedBull ist mit UltraSports Buffer gemischt und beim Chef der Verpflegung abgegeben. Die Wechselsachen sind auch schon verstaut und es geht ans Einlaufen. Eigentlich soll der Start ja um 10.30 Uhr sein. Draußen auf der Bühne rufen sie etwas von 10.00 Uhr. Aber das ist eigentlich seit dem ersten Rennen in Rudolstadt so. Nichts ist beständiger als die Änderung. 40 Läufer in weißen Shirts laufen sich erst einmal ein. Armkreisen, Mobilisierung der Gelenke, Hüftschwung. Finger in das Wasser des großen „U“ vor der Sturmkampfbahn halten und schauen, ob wirklich keine Wiese vor der letzten NVA – Bahn gemäht wurde. Startaufstellung. Großer Kreis im Team. Alle haben fleißig trainiert und sind bestens vorbereitet. Das wissen alle aber gesagt werden soll es trotzdem noch einmal. Die Jäger nach der Black Pearl, jener schwarzen Medaille für die Top-100, werden noch einmal scharf gemacht. Die Rudolstäder Fliegerstaffel dröhnt über die tausendenden Starter. Startschuss. Vollgas. Sprint zum ersten Kriechhindernis. 150m lang – nur dieses Jahr leider zu schmal. Die ersten nehmen ihre Knie auf die Wiese anstatt den Popo in die Höhe zu strecken. Naja gut, dann halt im Entenmarsch hinterher. Der erste Wassergraben. Die vor uns Laufenden setzen sich auf die Kante um ganz gemächlich die schlanke Hüfte mit dem kühlen Nass in Berührung zu bringen. Unsere Schäfchen sind anders. Anlauf. Schlusssprung und weit ins kalte Wasser. 8°C – so warm war das Wasser schließlich noch nie. Raus aus dem Graben und den anderen helfen. Was 2013 noch völlig normal war, ist inzwischen zur absoluten Seltenheit geworden. Viele denken nur noch an sich und vergessen, wo der Ursprung dieses Rennens liegt – gegenseitige Hilfe nämlich. Auf dem Platz und abseits.

Dreckschleudern im Teilnehmerfeld

Durch den zweiten Graben Wasser, rauf auf die Holzhindernisse und ab in Richtung Saale. Endlich steht die Querung des Rudolstädter Hausflußes wieder auf dem Programm. Wo ist der Rest vom Team? Flink geht es durch das Nadelöhr des ersten Anstieges. Wer hier stehen bleiben muss, verliert viel, viel Zeit auf dem Rest der Strecke. Auf der nächsten Wiese warten wir auf den Rest unserer Binome. Vorbei an der Polizeikaserne, Neubausiedlung und weiter in Richtung Kuhweide. Serpentinartig geht es auf der einen Seite hoch und auf der anderen wieder runter.  Zugegeben, hin und wieder müssen wir schmunzeln ob der verschiedenen Technikvariationen. Gut dran ist der, der Vertrauen in sein Schuhwerk und seine Bergablauftechnik hat. Das erste Mal laut muss ich werden, als in den Serpentinen direkt vor mir ein Läufer sein ungeöffnetes DextroGel in die Wiese schmeißt. Mit seiner Antwort, es würde ja schon jemand aufheben, hat er zwar Recht, aber da ich das war, bekommt er gleich ein unmissverständliches verbales Feedback. Solche Arschlöcher sind es übrigens, die dafür sorgen, dass auf dem 2018er Parcours soviel Dreck in Form von Dextro Gels und anderer Energieriegel liegen wie nie zuvor. Da wollen sie alle OCR machen um wieder die Natur zu spüren und eines werden mit der Umwelt. Vielleicht sollten die Veranstalter solche Idioten vor dem Start mal durchs Freibad schicken – da hat das Gehirn auch wieder die richtige Temperatur für einen kühlen Kopf zum Überlegen.

Pferdekuss und schnelle Läufer

Reifen tragen in der Perlenschnur. Diese Aufgabe wartet bei KM 5 und hier wird deutlich, warum The Race so besonders ist. Plötzlich stimmt irgendwo ein Läufer einen Schlachtruf an und alle Menschen mit Reifen auf der Schulter machen mit. Weiter geht es in Richtung Kulm. Auffällig leise ist es dieses Jahr im Feld. Wenige Läufer unterhalten sich, scherzen, machen dumme Sprüche. Vielleicht liegt es aber auch am Tempo, was dank der Mädels im Team irgendwie ein wenig höher ist als die letzten Jahre. Trotzdem trifft man das eine oder andere bekannte Gesicht, fragt nach dem eigenen Wohlergehen und wünscht noch alles Gute für die restlichen Kilometer. Verpflegungsstelle Kulm. Schnell ein, zwei Becher Wasser nehmen. Das Team erkennt man auch daran, dass die schnellen Läufer sofort eine handvoll Becher nehmen und der Nachhut entgegen gehen um das Anstehen zu vermeiden. Direkt nach der Tränke warten die Absperrgitter. Schnell drüber springen, so war die Ansage an die Mannschaft. Warum der Läufer vor mir plötzlich seinen selfiestick für eine GoPro zwischen meine Beine ausfahren muss, erschließt sich mir nicht. Ich finde mich mit einem ordentlich Pferdekuss auf dem Boden der Tatsachen wieder. Ihn scheint das nicht sonderlich gestört zu haben. Naja, Krone richten und weiter gehts. Die kommenden etwa zwei Kilometer geht es flink bergab. Der Peter hat seine Brille nicht dabei und sieht nur die knapp drei Meter vor ihm – also nur seine Mannschaftskollegen vor ihm. Im Training ging es dort mit einer 3:10er Geschwindigkeit pro Kilometer hinab. Unser GoPro Gustav vom Sturz eben mag aber lieber gemütlich laufen. Das altbekannte „Läufer links“ hilft aber dann doch und zügig geht es in Richtung Oberpreilipper Kuppe. Wenn wir einen Wunsch frei hätten, dann sollte das Rennen genau über diese Kuppe gehen. Geht es aber 2018 nicht. Die nächsten Kilometer geht es durch schönsten Misch- und Lerchenwald. Am Ende warten nicht nur die Papierhindernisse an der Papierfabrik sondern auch Andreas und Jeanette – Teammitglieder der ersten Stunde. Es gibt Bouillon, Tee und Natürlich Buffer-Bull. Auch andere Läufer fragen nach Getränken und natürlich sagen wir nicht nein – im Rahmen unserer Möglichkeiten, denn am Ende des Tages sollen alle aus unserem Team etwas bekommen. Die Mannschaft bleibt zusammen. Die Binome achten aufeinander. Dem einen oder anderen sieht man allerdings das Tempo der letzten 14 KM langsam an. Vorbei an Familie Bock – der legendären Verpflegungsstelle der ersten Jahre hinauf wieder nach Oberpreilipp. Wir motivieren uns gegenseitig. „Noch bis zur Treppe, dann können wir gehen.“ Als ich zwei Schritte vor der Treppe ausgehe, kommt sofort der Anschiss von hinten, dass ja bis zur Treppe gesagt wurde. Auch das ist das Laufladen Erfurt OCR Team 2018.

Schnappatmung im großen „U“

Die letzten Kilometer in Richtung Startaufstellung geht es bergab. Beine lockern, Schultern kreisen lassen, Mundwinkel nach oben bringen – das Übliche halt. Ein Novum beim diesjährigen Rennen ist die zweite Saalequerung und das kalte Wasser wird als angenehme Abkühlung empfunden. Nach den streichholzartigen Palisadenwänden warten nun die echten Aufgaben. Das große „U“ – dieser hufeisenförmig angelegte Wassergraben scheint heuer mehr Wasser zu führen. Wie in einer Polonäse laufen wir als Team durch. Die Mädels dürfen die Hände auf die Schultern der Jungs legen. Lediglich an der Wendung wird es so tief, dass wir schwimmen müssen. Jetzt zeigt sich, dass die Hände auf den Schultern nicht förderlich waren. Nach akuter Schnappatmung aufgrund plötzlichem Sauerstoffmangels unter der Wasseroberfläche findet sich wieder ein Rhythmus, der allen gut tut. Raus aus dem kalten Wasser. Die Oberschenkel wollen Bewegung. Die Sturmkampfbahn ist dieses Jahr keine wirkliche Herausforderung. Entweder haben wir einfach gut trainiert oder die Jungs aus Rudolstadt sollten die restlichen 364 Tage wirklich einmal in die Bahn investieren. Das Tragen des Sandsackes über die 400m NVA Aschebahn war bspw. bei Rennen der tcheschichen Spartan Races deutlich anspruchsvoller. Aber das ist Meckern auf ganz hohem Niveau.

Das großes Finale – Wasser, Wasser und Teamgeist

Nichts desto trotz machen sich auch bei unseren Binomen die ersten Ermüdungserscheinungen breit. Salztabletten gegen die Krämpfe, ein Energiegel für die Kraft und ein paar Motivationssprüche für die Moral – das ist das Rezept für den Erfolg. Hinter der nächsten Hecke steht schon Birgit mit den Badekappen für das geliebte THW. Diese Truppe der sadomasochistischen Wasser-Quäl-Kultur übertrumpft sich jedes Jahr aufs Neue. Frisch geputzt geht es ins Freibad. Kopfsprung und Binom schnappen. Ein Erfahrener ist verantwortlich für einen Neuling. Kopf untertauchen – erster Baumstamm, zweiter Baumstamm, dritter Baumstamm bis zum siebten Baumstamm. Armeinsatz. Geländer aus dem Schwimmbecken nehmen. Umdrehen und den anderen helfen. Tiefer Blick in die Augen. Ein Dutzend Stufen nehmen zum nächsten Becken. Während um uns herum plötzlich alle ins Becken springen steht für uns die Aufgabe im Vordergrund. Hangeln am Geländer über das Becken und die Köpfe der anderen. Natürlich kann man den Weg des geringsten Widerstandes gehen. Das wollen wir aber nicht. Wer es nicht versucht, hat schon verloren, heißt es bekanntlich so schön. Die Arme werden schwerer und plötzlich sind gefühlt alle Augen auf Dich gerichtet. Nur nicht abrutschen. Das Team feuert an, motiviert, schreit und klatscht am Ende. Weiter geht es durch Europaletten und als menschlicher Pflug durch das Beachvolleyvballfeld. Plötzlich flippt Heidi am Streckenrand aus und gibt ihrer Schwester Christel und Phine zu verstehen: „Top 30 Mädel!“ – Damit ist die Marschrichtung für die letzten vier Kilometer klar.

Bouillon, Boulder und Bezwinger

Wieder warm laufen vom Schwimmbad zum großen Finale. Gegen den THW Wasserstrahl des Grauens über die Holzplanke auf das Baugerüst und rein in die Waschtrommel. Unter dem alten 5to des THW noch einmal schön Schlamm sammeln bevor es zur finalen Verpflegung des Teams geht. Batzi, Hüftis Eltern, unser Mannschaftsarzt Dr. Alban und Martina warten nicht nur mit Spezialtee, Bouillon, Cola sondern auch mit einer gehörigen Portion Motivation und Wechselmütze. Ab jetzt zeigt sich, was das Team in den letzten 12 Monaten trainiert hat. Sandsäcke schleppen, Bouldern, Reifen überwinden, zwei Betonröhren durchkriechen und schließlich wieder die Traktorreifen und Eskaladierwände vom Vorabend. Aus der Sicht der Trainer läuft es 2018 bilderbuchmäßig. Nicht erst jetzt spielen sich um uns Dramen der biomechanischen Evolution ab. Machmal bricht der Wille ein oder die Kraftreserve tendiert gegen Null. Die starken Jungs gehen vor und bereiten dem Rest des Teams eine Leiter über die Hindernisse. Bei den großen Pyramiden gibt es nicht nur  eine Sicherheitsstellung sondern es wird zugepackt, damit auch ja kein Binom abrutscht und sich auf den letzten 800m verletzt. Es funktioniert. Immer mehr Läufer werden überholt und in ihren Augen erkennt man den neidvollen Respekt dieser perfekten Symbiose aus Teamgeist, Training und unbändigem Willen. Die letzten Hindernisse stehen bevor und das Ziel ist zu sehen. Auch hier zeichnet sich aus, wer die acht Wochen im Turnraum an der Kletterstange trainiert hat. Noch einmal Klettern, Kriechen, Tauchen und ins Ziel. Die Emotionen kennen bei dem einen oder anderen keine Grenze mehr. Was hat sich da die letzten Tage, Monate, Jahre angestaut? Was für manche Starter vor einem Jahr noch völlig unvorstellbar gewesen ist, wird jetzt am 8. Dezember Realität. Vielleicht nicht allein, aber als Team. Was in Worte schwer zu fassen ist, zeigt sich nun in den Augen der erfolgreichen Getting Tough Bezwinger. Das neben der goldenen nun auch zwei schwarze Medaillen um die Hälse glänzen, ist umso schöner.

Der letzte Mann ist nie allein!

Was bleibt, ist die Gewissheit, dass sich jeder aus dem Team auf den Rest verlassen kann. 2017 haben wir aus Trainersicht lernen müssen, dass nicht jeder im Team zu seinem Wort stand, für sein Binom bis zur Ziellinie da zu sein. Das sollte sich nicht wiederholen. Gesagt – getan. Nachdem die erste Fuhre im Ziel war ging es schnell zur frischen Bommelmütze. Matutu Spezialtee, Schokoladenriegel und ein trockenes Unterhemd anziehen und weiter zurück in Richtung Schwimmbad. Schließlich hieß es in der Vorbesprechung, dass der letzte Mann ab dem Freibad unterstützt wird. Der Forderung nach einer Handvoll Salztabletten gegen die Krämpfe konnten wir noch nachkommen. Auch die anderen Läufer um unsere drei „letzten Männer“ waren dankbar über ein wenig extra Schubkraft. Und genau das macht auch das Rennen in Rudolstadt aus. Es ist am Ende völlig egal, ob Du als 300. oder 1598. ins Ziel kommst. Mit unserem Dreiergespann ging es nun auch auf die finalen Kilometer. Faszinierend war plötzlich, dass das gesamte Team, teils frisch umgezogen und quasi bereit für den Tanz am Abend, plötzlich an den Hindernissen stand und diesen drei Läufern alle erdenkliche Hilfe gegeben hat. Da wurden Jeans wieder schmutzig gemacht, Daunenjacken mit Fußabdrücken auf den Schultern versehen und Sprüche um die Ohren gehauen, die ihresgleichen suchen. Besonders beeindruckend war aber die Tatsache, dass das nicht nur unseren Teammitgliedern zuteil wurde sondern auch den mitlaufenden, anderen Startern. Ungewöhnlich war jedoch, dass sich manch einer auf Biegen und Brechen geweigert hat, sich helfen zu lassen – aber auch das ist zu respektieren. Am Ende schaffte es nicht nur der letzte Mann ins Ziel sondern auch das Team hat gezeigt, dass es einfach eine grandiose und perfekte Leistung abgeliefert hat.

Hart, härter, Rudolstadt?

Muss es ein Fazit 2018 geben? Ich denke nicht, denn alle Teilnehmenden wissen ihre Leistung einzuschätzen. Ist das Getting Tough das härteste Rennen der Welt? Nein, ist es bei weitem nicht. Aber, es ist und wird eine regionale Größe, die weit über die Grenzen Thüringens hinaus einen Mythos versprüht. Der Sportsmann zeigt seine Größe in der Niederlage und wie er damit umgeht. Es muss nicht immer der dumpfe Fallispruch zur Motivation sein sondern manchmal liegt der Feingeist zwischen den Zeilen. Es gibt viele Läufe auf dieser Welt. Aber es gibt keinen Lauf, bei dem man sowohl auf der Strecke als auch und gerade im Ziel solche Emotionen erlebt. Wenn gestandene Männer und Mütter im Ziel die Schleusen zum Innersten ihres Seins öffnen, dann ist das etwas besonderes. Laufen kann jeder und auch ein Marathon ist „lediglich“ eine sich stets wiederholende, monotone Bewegungsabfolge. 24 KM laufen, zwischen 3 und 6 Stunden durch Wasser, über Hindernisse und gegen Zweifel ankommen und dabei anderen helfen – das kann nur das Getting Tough The Race und das Laufladen Erfurt OCR Team.