Schützt unseren Sonntag!

Um eines gleich vorweg zu sagen: Ich liebe Selbstbestimmung. Ich bin sogar ein großer Anhänger von eigenverantwortlichem Handeln – egal ob im Alltag, beim Sport oder am Berg. Jeder sollte für sein Tun und die Konsequenzen einstehen. Nicht nur in angenehmen Fällen bei der Siegerehrung sondern auch bei den unangenehmen Dingen unserer Zeit. Konsumfanatismus, Burn-Out gefährdete Mittdreißiger und übertrainierte Gesundheitssportler sind für mich negative Dinge. Sehr negativ sogar! Daher passt die Forderung großer Warenhäuser nach einem verkaufsoffenen Sonntag da gerade wunderbar ins Bild für den nächsten Blog.

Übermorgen ist wieder Erfurter Krämerbrückenfest. Überall in der Innenstadt hängen die Plakate vom verkaufsoffenen Sonntag. Im Laufladen Erfurt nicht. „Warum habt Ihr denn nicht auf am Sonntag? Wir kommen extra nach Erfurt gefahren!“ – Diese Frage bekomme ich die Tage am Telefon gestellt. Es hat weniger mit einer tief religiösen Bindung und dem sonntäglichen Kirchgang zu tun. Ich bin auch nicht davon überzeugt, dass in Zeiten permanenter Erreichbarkeit die Reversal Theory von Apter von Arbeit, Freizeit und Motivation durch freie Tage nach nur einem freien Sonntag greift. Statt dessen plädiere ich für ein Umdenken bei uns allen. Ein Plädoyer quasi für den konsumfreien Sonntag aus wirtschaftlichen und ethischen Gründen.

Aus betriebswirtschaftlicher Sicht erscheint es für die großen Warenhäuser durchaus sinnvoll, am Sonntag aufzumachen. Sonntagszuschläge und Energiekosten scheinen den zusätzlichen Umsatz nur bedingt zu schmälern. Bei kleineren oder mittleren Läden scheint mir das schon fragwürdig. Jetzt könnte ich natürlich darauf verzichten, Sonntagszuschläge oder gut ausgebildete Lauffreunde in den Laden zu stellen. Aber möchte das mein Gast? Viel wichtiger erscheint mir aber die zweite Seite der Betriebswirtschaft – nämliche das humane Kapital der Mitarbeiter. Sowohl das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) als auch die Bundesanstalt für Arbeitnehmerschutz (BAuA) warnen vor den Effekten der Wochenendarbeit. Die Anzeichen häufen sich ja auch bei unseren Gästen. Das Gefühl ständig gehetzt zu werden, Anzeichen von Erschöpfungszuständen, psychische und physische Beschwerden, muskuläre Verspannungen, Schlafstörungen sind nur einige Beispiele. Sonntagsarbeiter sind häufiger demotiviert, unzufriedener mit Ihrem Leben, ihrer Gesundheit, ihrem Schlaf und ihrer Familie. Wenn wir unsere Läufer mit Verspannungen fragen, kommt es häufig zum Thema Arbeit. Wo bleibt da der Ausgleich durch den Sport?

Nun könnte man meinen, dass Wachstum doch stets etwas Gutes ist. Ist es ja auch. Dennoch weigere ich mich dem Konsumfanatismus unserer Zeit blind zu folgen. Auch ich liebe es, einkaufen zu gehen oder einfach nur durch die Erfurter Altstadt zu flanieren. Daher ist die Forderung nach einem freien Sonntag auch die Forderung nach weniger Konsum. Es muss nicht immer alles, jederzeit und überall verfügbar sein. Das ist ein Trugschluss unserer westlichen auf totalen Konsum ausgelegten Gesellschaft. Verzicht auf Konsum kann auch eine Stärkung der Gemeinschaft darstellen. Für meine Kollegen im Laufladen ist es die Familie mit der das freie Wochenende verbracht werden kann. Für andere ist es die Teilnahme an einem Laufwochenende mit Übernachtung und tiefsinnigen Gesprächen bis tief in die Nacht. Weniger Konsum führt somit auch zu mehr Auseinandersetzung mit sich selbst und seinem sozialen Umfeld. Wir verlernen es nämlich, sich genau mit diesen Dingen auseinanderzusetzen. So führt der regelmäßige verkaufsoffene Sonntag dazu, dass wir nicht mehr gemeinsam in der Gruppe abschalten. Vielmehr würde jeder seinen eigenen Rhythmus finden müssen um weiter zu bedienen, zu telefonieren, zu verkaufen. Wenn jeder am Sonntag machen kann was er will, würde unser Konsumverhalten noch absurder. Wir haben dann zwar noch mehr Zeit, Dinge zu beschaffen aber noch weniger Zeit, diese bewusst zu konsumieren. Be-wusst? Wissen vom Sein? Um die schönen Dinge des Lebens genießen zu können, braucht man nicht nur Muße sondern auch Freunde, Familie oder Zeitgenossen um die Erlebnisse mit ihnen zu teilen. Daher hat der Laufladen Erfurt auch zum Krämerbrückenfest geschlossen. Wir arbeiten zwar auch für den nächsten Wettkampf aber wir empfinden es nicht so. Vielmehr genießen wir das Training am Sonntag Früh als körperliche Erschöpfung mit anschließend befreitem Geist in geselliger Runde unserer Freunde. Und natürlich werden wir auch wieder die Erfurter Altstadt besuchen und das Leben feiern.

Euer Boris