• Transalp 2018

    Von Garmisch nach Meran

  • Transalp 2018

    3 Tage. 75 KM. 5.000 Höhenmeter

  • Transalp 2018

    Regen. Sonne. Schnee. Erlebnisse.

  • Transalp 2018

    Ein Ziel aber viele Wege

Laufend und zu Fuß über die Alpen

Mumbai, München, Meran – das sind die Eckdaten eines Wochenendes im August. Ich steige mitten im indischen Monsun in den Flieger zurück nach Deutschland. Unser Lauf-Yoga-Lehrer Ramesh hatte mir den Tipp gegeben, doch zum Erlernen der Mediatation namens Vipassana in sein Heimatland zu reisen. Der Tipp war Gold wert und ist eigentlich eine eigene Erfahrungskolumne wert. Dazu aber später vielleicht mehr. Während die Eindrücke aus Indien noch frisch sind, geht es schon wieder zurück nach München. 2018 soll es endlich klappen mit der Speed Transalp – zu Fuß über den Alpenhauptkamm. Nachdem uns der Schnee die letzten beiden Jahre meist einen Strich durch die Rechnung gemacht hat, verheißt der Sommer 2018 ja eigentlich beste Voraussetzungen. Eigentlich. Statt der prophezeiten 40°C begrüßen mich nach der Landung neben dem Cheflogistiker Frank auch meine beiden Lauffreunde Marco & Marco im strömender Regen. Die Nacht in München wird kurz, denn am nächsten Tag soll unser Projekt pünktlich starten. Kontrolle der Ausrüstung, Vorbereitung der Verpflegung und Einweisung in die Karte und Strecke. Ein wenig Flexibilität wollen wir uns in Anbetracht der Wettervorhersage aber behalten.

Tag 1 – Garmisch / Inntal

Am nächsten Morgen geht es direkt an den Fuße der Zugspitze. Garmisch-Partenkirchen. Olympiastadion. Das Ziel ist es, innerhalb von drei Tagen über den Alpenhauptkamm nach Südtirol zu laufen. 14°C. Strömender Regen. Auf dem Gipfel soll es schon Neuschnee geben. Was soll´s? Wer im Dezember bei -5°C durch die Saale beim Getting Tough The Race rennt, wird ja wohl so einen läppigen Berg hochlaufen können. Während Frank sich um die Logistik, wie Gepäcktransport und Übernachtung kümmert, ziehen wir uns wetterangepasst an. Jeder läuft mit dem Nötigsten aber auch dem notwendigsten. Schließlich will keiner auf knapp 2.600m erfrieren. Das heißt im Klartext: Lange Laufbekleidung, Weste, Stöcke und natürlich Bommelmütze und Handschuhe. Und das am 13. August im Sommer 2018… Vorbei an der Partnachklamm geht es stetig in Richtung Oberes Reintal. Die Bindfäden des Regens um uns herum nehmen wir zwar wahr, aber der Duft von gerade noch rechtzeitig eingebrachtem Heu dominiert da deutlich mehr. Jetzt einfach in so einen vollen Heuschober legen und schlafen – das wärs doch. Geht leider nicht. Der Plan steht ja immerhin und der Logistiker soll nicht umsonst am Zielpunkt warten. Bockhütte, Reintalangerhütte, Aufstieg zur Knorrhütte und ab zum Gatterl – dem Grenzübergang zur Republik Österreich. Statt Grenzer erwarten uns nur ein paar braune Schafe und es regnet noch immer wie aus Kübeln.

Am Grenzzaun sind die ersten vier Stunden im Aufstieg vorbei und wir nähern uns der 30 KM Marke. Beim vermeindlich letzten Aufstieg schüttet es nicht nur, sondern die Tropfen brasseln durch den einsetzenden Nordwind jetzt auch waagerecht direkt in unsere Gesichter. Zeit für Bommelmütze und Handschuhe. Plötzlich geht es steil bergab und die Wolkendecke zieht auf. Die am Wegesrand zuhauf Löcher buddelnden Murmeltiere sind von unserer Anwesenheit offensichtlich etwas überrascht. Anders lassen sich die purzelbaumartigen Fluchtversuche bei unserem plötzlichen Auftauchen hinter irgendeinem Joch nicht erklären. Die letzten 8 KM zum Treffpunkt geht es noch einmal knapp 1.200 Höhenmeter bergab. Da freuen sich nicht nur die Teleskopstöcke sondern auch die eigenen Oberschenkel. Gut hat es da, wer im Sommer ein bißchen was für die Muskulatur gemacht hat. Nach knapp 40 KM erreichen wir das erste Etappenziel in Telfs bei Innsbruck. Eigentlich wollten wir noch über die Niedere Munde laufen. Aber 6h im Dauerregen, Schnee und wenig Sicht laden einfach ein zum warmen Skiwasser und Tiroler Köstlichkeiten. Außerdem soll der Genuß auf so einer Tour bekanntlich nicht fehlen. Folglich heißt es, die nassen Sachen fix im Trockenraum aufhängen um morgen hoffentlich trockenen Mutes auf die zweite Etappe starten zu können. In diesem Zusammenhang haben wir übrigens festgestellt, dass so ein Besuch im mit Männer-Moschus-Laufbekleidung behängtem Trockenraum jede Schlaflosigkeit im Keim erstickt. Manchmal muss man halt Abstriche machen…

Tag 2 – Lüsens / Stubai

Zweiter Tag. Von Lüsens (Kühtai) soll es über die Franz Senn Hütte ins Stubai Tal gehen. Ausstieg am Parkplatz, Schuhe schnüren und den Körper erst einmal auf 1.200 Höhenmeter im Nonstop Anstieg warm laufen. Wobei Laufen nicht immer stimmt. Viele Passagen müssen wir einfach gehen. Erstens wei es einfach zu steil ist und zweitens glauben wir, dass die Rindviecher nicht immer paarungswillig sind oder uns nur nach einem Leckerli fragen wollen – also heißt es: Umgehen! Logischerweise stehen die Alpenrinder auch wahnsinnig gerne immer exakt auf unserem Weg. Manchmal sind die Ausblicke aber auch so toll und faszinierend, dass wir stehen bleiben wollen um zu genießen. Hin und wieder wird aber auch die Luft dünn für den einen oder anderen aus unserem laufenden Trio. Immerhin näheren wir uns wieder der 3.000 Meter Marke. Der erste Sattel liegt heute auf knapp 2.800m N.N. inkl. Altschneefeld. Direkt dahinter gehts im Ballertempo hinab in Richtung Franz Senn Hütte. Die schmalen Trails lassen keine Ausschau zu. Zu hoch ist das Risiko, einen Fußaufsatz nicht richtg zu machen und den Weitertranspot mittels Heli antreten zu müssen. Die Wasserflaschen werden zwischendrin am glasklaren Alpenbach aufgefüllt. Und da ist er wieder, dieser einzigartige Geschmack – dieses unverwechselbaren, kalten, klaren Wassers. Froh sind wir als wir Frank nach 3h an der Hütte sehen. Wechselshirt und ein gemeinsames Skiwasser später geht es in jetzt fast strahlendem Sonnenschein gen Stubai.

Der Wirt sagt, wenn wir schnell sind, sollten wir es in 5h schaffen. Nach vier Stunden sitzen wir an der Alm mit Blick auf den Wasserfall unterhalb der Regensburger Hütte. Dazwischen gab es wieder einmal ein emotionales „Stell Dich ein“ mit der eigenen Willenskraft. Ich weiß nicht, wer den Weg gebaut hat aber die groben Granitblöcke sind irgendwie nicht nach unserer Schrittlänge angepasst. Nach jedem Sattel kommt ein weiterer. Die Flaschen sind leer und langsam setzt auch die Müdigkeit ein. Erstmals merken wir, dass bei so einem Projekt wenig Platz für Reserven ist. Entweder Du hast alles dabei oder hast ein enormes Vertrauen in Deine körperliche Leistungsfähigkeit. Zum Glück hat bei uns im Trio irgendeiner immer noch einen kleinen Riegel irgendwo versteckt. Brüderlich teilen und so. Letzter Sattel und die Übernachtung ist schon sichtbar. Blöd, dass dazwischen 1.600 Höhenmeter und knapp 10 KM Luftlinie liegen. Es heißt also noch einen Gel Chip von Ultra Sports einwerfen um die Konzentration im Abstieg beizubehalten. Während Marco so schnell läuft, dass es fast die grasenden Schafe mittels Steinen erschlägt, tritt der andere Marco plötzlich neben den Trail in einen vom Unterboden her nicht verdichteten Springlatschenbusch. Diese Springlatschen sind aber auch gefährlich und schnippen immer urplötzlich nach oben. Auf der anderen Seite ist so ein eingestrichener Trail in der Karte immer auch ein Abendteuer. Denn Steig oder Pfad würde diese Art der Trails besser beschreieben. Passiert ist letztendlich nichts, aber es zeigt – Aufpassen Männer! Am Ende des „Marcosteiges“ wartet nicht nur die Alm sondern auch eine eiskalte Halbe. Die letzten 600 Höhenmeter schaffen wir in 20 Minuten zum Auto. Die Sohlen im und außerhalb des Schuhes brennen da schon ganz ordentlch. Prompt legt Frank die Blackroll raus und gedehnt wird am Abend des zweiten Tages mittels Bieryoga in der Standwaage.

3. Tag – Stubai / Italien

Dritter Tag. Von Stubai soll über den Gletscher, Siegerlandhütte, Windachscharte, Schwarzsee zum Timmelsjoch gelaufen werden. So lautet der Plan. Erstmalig begrüßt uns der Morgen mit strahlend blauem Himmel. Perfekter Sonnenschein und die Frisur sitzt. Fahrt mit der Bahn auf das Top of Tyrol auf 3.300m. Ab über den aperen Gletscher, Schneefelder und hinauf auf den Granittrail gen Italien. Abstieg, Aufstieg, Abstieg, Aufstieg, Abstieg, Aufstieg und schließlich zur Sigerlandhütte. Dort riecht man den geschürten Kamin schon aus der Ferne und wir freuen uns auf ein weiteres heißes Skiwasser. Langsam merkt jeder von uns, dass die tieferliegende Muskulatur nach Pause ruft. Der Kopf ist zwar da und die Oberschenekel halten noch viel ab. Jede Unachtsamkeit bestraft das Sprunggelenk, Ferse und Achillessehne dennoch und wohlwollend mit direkt durchschlagendem Schmerz. Dafür ist die Landschaft einfach herrlich. Feinste Trails durch felsdurchsetzte Wände, Geröllhalten für den maximalen schnellen Abstieg. Aufstiege wo jeder Atemzug einer Horde Dampfrösser im Rücken gleicht. Aber wir sind für uns. Die wenigen Wanderer, die uns begegnen, schauen uns ein wenig ungläubig an. Aber wer mit wenig Gepäck am Berg unterwegs ist, darf sich halt auch nicht lange am Berg aufhalten.

Am Ende des Tages sind es noch einmal knap 2.000 Höhenmter bergab und 18km Gesamtstrecke. Spontan hat der Cheflogistiker entschieden, dass wir statt zum Timmelsjoch noch einen alpinen Schlenker zum Schneeberg Haus machen. Noch ein Aufstieg… Die Übernachtung in dem alten Erzbergwerk soll uns aber entschädigen, verspricht man uns. Außerdem lockt die Wiese vorm Gasthaus unterm Sonnenschein mit weit hörbarer südtiroler Herzlichkeit und Feierlaune. Frank hat unsere Wechselsachen bereits vorbereitet und wir können direkt in die Nachbereitung starten. Es ist inzwischen Sonntag Nachmittag und unser Nachbartisch hatte offensichtlich heute schon die sechste Runde des berühmten italienischen Hausweins. Wir schmunzeln darüber und freuen uns, dass die Welt hier oben noch in Ordnung ist. Freuen tun wir uns übrigens auch, dass auf den letzten knapp 75 KM nichts passiert ist und widmen uns jetzt erst einmal der Erholung.

Beschwerden? Wehwechen? Erfahrungen!

Was bleibt, ist die Gewissheit, dass die Tour von Garmisch nach Meran gerne um einen Tag verlängert werden kann. Unsere Schuhe sind ganz schön in Mitleidenschaft gezogen worden. Los ging es mit Salomon Speedcross, Saucony Xodus und meinem Hoka Evo. Zur Rettung der Firmen darf ich sagen, dass unsere Wege teils wirklich als extrem gelten dürfen und dafür sind die Schuhe offensichtlich nicht konzipiert. Es mag auch sein, dass der gemeine Bergläufer die 60 KG Marke nie überschreitet aber wir wollten auch Spaß haben. Und dieses Spaß hat man nunmal in einem direkten und schnellen Schuh wie dem Evo. Der Grip war tadellos – auch auf der berchtegadener Spur in der granit-/kalksteinigen Direttissima den Berg hinauf. Weshalb eine Virbramsohle nach insgesamt etwa 200 KM ihren Geist aufgibt, wird noch geprüft. Ich vermute, dass der Kleber einfach nachgegeben hat. Vielleicht haben die Sohlen nicht nur in die eine Richtung gebrannt und gequalmt… Und noch einmal um Missverständnisse auszuräumen: Wenn Du als Läufer körperlich stabil bist und muskulär trainiert bist, macht so ein direkter Schuh brutal viel Spaß. Gespartes Gewicht im Aufstieg und extrem gutes Balancegefühl bei einer höchstmöglichen Frequenz im Abstieg. Du musst Dir als Läufer halt nur sicher sein, dass Du jederzeit die Kontrolle über Deine Motorik hast und der eigene Körper nicht ein Eigenleben entwickelt. Die restliche Ausrüstung hat tadellos gepasst – sofern man einen so wunderbaren Edellogistiker wie unseren Frank hat. Unermüdlich hat er Übernachtung und Anschlussversorgung sichergestellt. Ohne so eine Unterstützung wären wir erstens deutlich langsamer unterwegs gewesen und hätten auch noch mehr Gepäck transportieren müssen. Was am Ende noch bleibt, ist die Erkenntnis, dass es in der Gruppe einfach mehr Spaß macht. Allerdings muss das Leistungsniveau auch tadellos sein. Gerade der erste Tag im Dauerregen hat gezeigt, dass am Berg nur Erfahrung zählt und ein Wetterumschwung sehr, sehr schnell tödiche Auswirkungen haben kann. Zusammenfassend ist die Tour mehr als empfehlenswert und macht Lust auf mehr derartige Projekte – dann aber mit eigenem Physio und besserem Schuhwerk.